Carl Weissner

Carl Weissner (c) Heidelberger Literaturtage

Und hier eine Textprobe von Carl Weissner:

April 1968. Wenn man, aus Notwehr zugemüllt mit chemischen Substanzen, im Central Park unter einem Baum liegt, kann man sich einbilden, das tägliche Desaster Movie sei weit weg -- die 50 Paar Kampfstiefel mit nichts darin, zur Trauerfeier aufgereiht in Dak To; die drei oder vier schwarzen College-Studenten, mit Bajonettstichen der Nationalgarde ins Krankenhaus eingeliefert in Jackson, Mississippi -- aber es ist natürlich wie immer ganz nah und wird in Midtown von NBC und CBS für die nächste Nachrichtensendung aufbereitet.
Wer sich der Abstumpfung verweigert, kann eigentlich nur "den Krieg nach Hause holen" und seine Lebenserwartung verkürzen.

Ich mag diesen Robert Crumb, von dem jetzt Comics im East Village Other erscheinen. Er haßt Blumenkinder -- es sei denn, sie lassen ihn ran; er haßt Rockstars und Psychedelic Rock und Be-Ins und Love-Ins und Hippieklamotten und Blumen im Haar und den ganzen Rummel um Timothy Leary und Bob Dylan und Swami Satchidananda und Hare Krishna.
Er liebt alte Schellackplatten von vergessenen Bluessängern, er zeichnet am liebsten Girls mit dicken Waden und noch dickeren Ärschen (oft stark behaart) und herausfordernd erigierten Brustwarzen, und gleich sein erster LSD-Trip hat ihm bestätigt, daß er seit frühester Kindheit richtig liegt mit der Vermutung: Amerika ist ein Irrenhaus.

Wenn du ein paar hundert Stunden Berichterstattung aus Vietnam gesehen hast, in full color; wenn du zigmal den Polizeichef von Saigon gesehen hast, wie er den gefesselten Vietcong mit dem karierten Hemd auf offener Straße mit der Dienstpistole killt; wenn du schon wieder den südvietnamesischen Fallschirmjäger zu sehen bekommst, wie er dem auf die Knie gezwungenen und von zwei Mann festgehaltenen Gefangenen den rechten Fuß mit dem Springerstiefel voll ins Gesicht kickt -- wenn du es gesehen und gesehen hast, vor dem Bildschirm, aus den Augenwinkeln, in einem beschissenen Traum, und selbst noch vor dem leeren Bildschirm in der halben Stunde Sendepause vor den Sechs-Uhr-Frühnachrichten, bist du reif für die Käfersammlung im Museum of Natural History.
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weblog zu den 9. internationalen literaturtagen sprachsalz 9.–11. september 2011, hall in tirol

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