Pavel Schmidt

Von Pavel Schmidt gibt es gleich zwei Texte - beide ohne Titel.

pavel schmidt


(ohne Titel)

jene gruppierungen von menschen, die sich gemeinsam einer körperertüchtigung hingeben oder im besonderen, im rahmen ihrer gemeinsamen körpertätigkeit eine spielart betreiben, sind als eine gemeinschaft anzusehen. diese gemeinschaft von gleichgesinnten pflegt man üblicherweise als eine mannschaft zu bezeichnen. dieser sprachlichen gepflogenheit entsprechend, ist eine mannschaft eine auswahl von ausübenden (eben einer körperlichen betätigung) zu einem bestimmten zweck. sei es ein wettkampf, sei es eine freundschaftsbegegnung oder ein länderkampf oder ein kräftemessen oder ein treffen von ehemaligen (veteranentreffen). die mannschaft ist also eine auswahl – in der regel der besten und geeignetesten – eines vereines, eines verbandes, einer riege, eines landes, einer nation.

„mannschaft: mittelhochdeutsch „manschaft“ hat verschiedene bedeutungen, die einem abstraktum oder kollektiv zukommen: „status des (lehens- ) mannes“, „gefolgsleute“. die kollektive bedeutung setzt sich durch und wird verallgemeinert.“ (aus: kluge, etymologisches wörterbuch der deutschen sprache)
aber eine mannschaft setzt im allgemeinen verständnis voraus, dass dieselbe aus männlichen teilnehmern beziehungsweise mitgliedern besteht. erstaunlich und auffallend verwirrend erweist sich, wenn die berichterstattung in überaus ernsthafter, deutsch-sprachiger tagespresse von einer frauen- oder damenmannschaft spricht...
es werden auch vorstellungen und erinnerungen wach, an jene wettkampfteilnehmerinnen und –teilnehmer, deren geschlecht oder geschlechtsartung, selbst in der spärlichen, berufsüblichen bekleidung nur schwer oder gänzlich unmöglich auszumachen war und ist.

während sich eine frauenmannschaft geschlechtlich aufhebt (neutralisiert) oder ins ungeschlechtliche oder zwei- oder zwiegeschlechtliche abgleitet, bedeutet hingegen – erweitert – die ergänzende begrifflichkeit der herrenmannschaft eine art verdoppelung beziehungsweise quadratur im sinne einer potenzierung (mannesmann/herrenmänner). oder ist es eine tautologie oder ein pleonasmus oder dient die bezeichnung herrenmannschaft vielleicht zur steigerung der ehrfurcht des gegnerischen teams, der „équipe“ oder der „squadra“.

(diese sprachlichen umständlichkeiten und uneindeutigkeiten – von unzulänglichkeit soll hier nicht die rede sein ­– verleiten häufig zur übernahme des englischen leihwortes. obwohl der gebrauch von „team“ sich zunehmender beliebtheit zu erfreuen beginnt, verschafft er unter umständen irreführende beziehungsmöglichkeiten: „der trainer“ beziehungsweise „der masseur der damenmannschaft“, „er stiess ins team“, „sorgte im team für unruhe“ und so weiter.)

bedenklich wird dieser sprachliche geschlechtswitz, wenn es sich um mannschaften wie landsmannschaften handelt, der vertriebenen etwa...
trotz geschlechtsunbestimmtheiten, weil weder mittlerweile vertrieben noch ansässig, offenbart sich also der gemischtgeschlechtliche fortbestand der mannschaften: landsfrauenmannschaft, auch gartenzwerge bewegen sich auf ähnlicher ebene, sind den mannschaften entsprechend männlich, ob vertrieben oder ansässig oder gesprengt oder wiederhergestellt, taucht zwangsläufig die frage auf, wie die erhaltung ihrer art fortpflanzendermassen gewährleistet wird: gartenzwerginnen.
befremdend in dieser beziehung oder anspielend anmutig erscheint allerweil die redensart, dass eine frauenmannschaft auf vordermann zu bringen wäre.


(ohne Titel)


im zuge mannigfacher begegnungen, meistens unvorhersehbarer gestaltung, vermehren sich die bekanntschaften mit schaffnern in durchhängend ausgeweiteter dienstbekleidung und meistens sehr scharfen bemerkungen zur allgemeinen lage.

wurstmaden lassen nicht allzu lange auf sich warten, vorausgesetzt, die bedingungen sind günstig.

so lassen die kleinigkeiten des äusseren kaum noch spielraum übrig für sich verdrehende andeutungen von wahren ansichten. wesentliches wird verschwindend ungenau unter den wachsenden auswirkungen von unabdingbaren eindrücken.

vermehrungsbeobachtungen unter den maden werden feststellbar, bis die wurst gänzlich verschwindet.

entsprechendes traf im mai 1953 im tierpark hellabrunn ein, als ein zitteraal gymnotus electricus, ein ansonsten sehr zahmes und umgängliches tier, dem tierpfleger, emil ertner, beim füttern einen so heftigen elektrischen schlag versetzte, dass er beinahe ins becken gestürzt und ertrunken wäre. er wurde betäubt am beckenrand von seinen entsetzten kollegen aufgefunden. glücklicherweise hinterliess dieser unerwartete elektrische schlag keine weiteren folgen. 1939 gelingt es im berliner zoo geheimrat prof.dr.l.beck, der übrigens einen überaus üppigen haarwuchs vorzustellen hatte, zusammen mit dr. oskar heimroth, eine, an den zitteraal angeschlossene 40-watt glühbirne zum leuchten zu bringen, zu einer zeit, in der manche menschen mit der auszurottenden brut der ratten verglichen wurden.

wurstmadenzustände unerschrocken anzuerkennen, ist nicht sehr häufig. vielleicht ist es ratsamer, die maden sich vermehren zu lassen oder die würste viel schneller aufzufressen.

die zeit der prügelnden häscher, der knüppelnden aufstreber, der mordenden gehorsamstreiber, sie versuchen nach der geschehenen willkür zu vernebeln, verdampfen zu lassen und berufen sich auf schwerlich nachvollziehbares: schaffner in zügen der menschlichkeit, fortwährend menschliches.

die anlage einer made in der wurst ist in wesentlichen zügen vorhersehbar.

im rahmen des nicht zu stillenden forschungsdranges nach menschlichen ursprüngen, liess man affen malen und zeichnen. desmond morris stellte auswertend fest, dass die ergebnisse denjenigen von kleinkindern durchaus gleichen. in diesem sinne geraten auch manche hervorbringungen moderner kunst in den zusammenhang des vergleiches, was freilich nur bei ganz wenigen, verwegenen decklern und unentwegten draufhauern zur erwähnung kommt. ein, zu dem herzen des volkes sprechendes, mutiges entgegentreten zur rettung der menschheit und ihrer grösse erscheint als beweisbare offensichtlichkeit, den es spricht das wahre an.

der tag der made in der wurst kommt in jedem haushalt vor.

unbestimmt verlagern sich die begriffsbestimmungen von menschlich-unmenschlich, tierisch-untierisch ineinander, wobei das tierische eigentlich jeglicher tugendhaftigkeit entbehrt und abwertend im alltag dasteht. das menschliche hingegen, immer höhere werte beinhaltend, erhebt sich über das unmenschliche, was dem tierischen nahe kommt, ebenso entspricht dann das untierische dem menschlichen. von weitreichender verwirrung zeugen die tatsachen der menschenvernichtung, der tierversuche, des gegenseitigen fressens. verklärungen von bedeutungen und ihrem umgang überschlagen sich bis zur aufnahme der nächsten nahrung. „vor allem haben die termiten ein für alle mal vollkommener, wissenschaftlicher als jedes andere tier, mit ausnahme vielleicht gewisser fische, das hauptproblem jeden lebens, das problem der ernährung gelöst. sie nähren sich ausschliesslich von zellulose, die nächst den mineralien der verbreiteste stoff auf erden ist, bildet sie doch den festen bestandteil, das gerüst alles pflanzlichen. überall, wo es holz, wurzeln, dornen, irgendein gras gibt, finden sie also unerschöpfliche vorräte“, so maurice maeterlinck in seinem werke „das leben der termiten“, also könnten die termiten vielleicht tierischer sein wie etwa die haie, oder untierisch oder sogar menschlich. künstler sind eine gruppe jener menschen, die eine wundervolle verbindung von grübeln und handeln gefunden zu haben scheinen. obgleich sie eine fülle menschlicher kenntnisse übermitteln, tragen sie doch überall die blutvolle farbe erlebter und erkämpfter überzeugung. mit hellem kopf und warmen herzen untersuchen sie neue möglichkeiten des gesellschaftlichen, geschäftlichen und häuslichen lebens, vor allem auch die des hauptbestandes der sittlichkeit und des liebeslebens: (menschliche künstler, unmenschliche bösewichte, tierische triebtäter.)

das leidenschaftliche leben der wurstmade erbittet rücksicht und geduld.

aufreizend zur verfügung, sich um nichts kümmernd, erhöht sich nach mitternacht die neigung zu allerlei getränken, diesbezüglich sich auch weitere verwirrungsspiele lallend aus dem unzusammenhängenden herausgraulen. missdeutungsträchtig das sos-zeichen, welches für die rettung des menschlichen lebens steht. oft sind es körperteile um die es geht (angebrachter wäre vielleicht sob: „save our bodies“ zu verwenden. pannen, leichtsinn, unvorsichtiges handeln führen zu unfällen mit teilweise tödlichem ausgang, den „save our souls“ bemühungen zum trotz. neuerdings wird es auch im zusammenhang mit der tier-, ja sogar der pflanzenwelt und der erde überhaupt verwendet.

die maden tauchen immer wieder auf, sie verlassen sich dabei nur auf die menschen.

für die rettung von seelen sind bekanntlich viele andere anstalten, gruppierungen und gemeinschaften wesentlich zuständiger, als die verschiedentlich untergebrachten erste-hilfe-einheiten und einsatzunterschiedlichen rettungsdienste.
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weblog zu den 9. internationalen literaturtagen sprachsalz 9.–11. september 2011, hall in tirol

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