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Peh

Peh

vorgestellt von Martin Kolozs, erklärt was Poetry Slam ist und performt den Text "Es gibt diese Tage":

Peh (mp3 Stream)

Erika Wimmer

Erika Wimmer

anmoderiert von Heinz D. Heisl, liest am Freitag auf der Terrasse aus ihrem Roman "Die dunklen Ränder der Jahre":

Wimmer (mp3 Stream)

Gabriele Loges

quelle: www.schriftsteller-in-bawue.de/impress.php

Von Gabriele Loges der Anfang des Textes "Vielleicht ist es ja nur ein Traum", erschienen in: Ausgehen, 19. Würth-Literaturpreis. Mit e. Vorw. v. Feridun Zaimoglu. Hrsg. v. Dorothee Kimmich. Swiridoff Verl. 2008, S. 85 ff.:

Weißt du, hat er zu mir gesagt, weißt du, eigentlich kann es nicht wahr sein. Ich sehe sie, sagte der Mann dann noch, ich sehe sie, wie sie die Treppe hinunterrennt, sich umdreht, ihr braucht nicht auf mich zu warten, geht schon mal ins Bett, in eurem Alter ist das vernünftiger. Was wusste sie schon vom Alter. Vor dieser Nacht waren wir jung.
Und dann, fuhr er fort, und dann waren wir so froh, dass wir nichts gemacht haben, gegen das Mädchen, das andere, das noch gekommen ist, zwei Jahre zuvor, obwohl meine Frau doch schon über vierzig war und die Kollegen bei der Arbeit mich fragten, ob ich eingeschlafen wäre, auf ihr. Jetzt sind wir froh, die Kleine hat uns gebraucht.
Wir haben sie gebraucht.
Für meine Frau, meine Elsa, war es noch schlimmer. Beinahe hätte sie es nicht geschafft. Die Ärzte haben dann geholfen, aber sie musste in den sechsten Stock, musste ins Krankenhaus, du weißt schon, im sechsten Stock sind die Verrückten. Doch dort hat sie es nicht ausgehalten, auch ich nicht, wenn ich sie besucht habe. Ich wollte nicht mehr hingehen, aber die Große hat gesagt, Papa, du musst, Mama braucht dich jetzt, aber bei mir hat sie immer angefangen zu weinen: wo ist sie, sag es mir doch, wo ist sie? Aber ich wusste es auch nicht. Einmal habe ich sie noch gesehen. Annerose, ein schöner Name, findest du nicht? Davon wollte ich meiner Frau nichts erzählen, das hätte ihr überhaupt nicht geholfen, im Gegenteil. Elsas Gesicht wurde in diesem Jahr ganz rund, alles an ihr wurde rund wie ein Mond und weich und leer. Nur wenn ich bei ihr war, kam ein wenig Glanz in ihre Augen, sie wollte alles wissen, wollte wissen, wie Annerose aussah, und ob nicht alles doch ein Traum gewesen sei, aber ich habe nichts gesagt, die Erinnerung ist grausam, die Vergangenheit immer schneller als die Zukunft.
Ausgerechnet von mir wollte sie Hilfe. Wenn ich beim Rasieren im Spiegel meine leeren Augen gesehen habe, bin ich weggegangen, meist ins Wirtshaus.
Als meine Frau wieder zu Hause war, hat sie überall im Haus Bilder von Annerose aufgestellt. Sie suchte wie eine Verrückte nach einem Foto, auf dem sie lacht, als Schulkind, bei der Erstkommunion, bei der Schulentlassfeier, nachher beim Abschluss der Lehre, nirgendwo lacht Annerose. Dabei lachte sie oft, nur nicht auf Fotos. Elsa, sagte er, Elsa geht jeden Tag auf den Friedhof; so, als müsse sie sich vergewissern.

Michel Butor

quelle: quelle: de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Michel-Butor.jpg

Ein Gedicht von Michel Butor:

JE DIMINUE

(pour Marie-Jo)

Avez-vous revu récemment
notre vieux Michel il n'est plus
si sémillant si frétillant
qu'auparavant il était bon
d'ailleurs qu'il s'assagisse un peu
même si à travers son rire
tonitruant il y avait
toujours chez lui du taciturne

Il était resté longtemps jeune
presque un enfant toujours ailleurs
poursuivant problèmes chimères
et puis retombant sur la Terre
avec un regard étonné
en essayant de compenser
maladroitement son absence
par un surcroît de politesse

À vrai dire je l'ai croisé
il y a juste quelques jours
à quelque commémoration
je l'ai reconnu tout de suite
en me disant sur le moment
qu'il avait pourtant bien changé
front dégarni pas mal de ventre
paupières bouffies maintes rides

Oui de plus en plus dur d'oreille
mais on ne sait exactement
quand il vous répond à côté
si c'est vraiment la surdité
ou bien distraction dérobade
car au bout de quelques instants
émergeant rieur de ses brumes
il retrouve le fil perdu

Il se plaint parfois plaisamment
ma mémoire me joue des tours
le matin quand je me promène
c'est de moins en moins longuement
le territoire que j'arpente
se rétrécit de plus en plus
j'admire au détour des chemins
les régions que je préférais

Apprendre hélas je voudrais bien
c'était le plus grand des plaisirs
mais le moindre appareil nouveau
me rend honteux de maladresse
sans parler des ordinateurs
que les enfants savent si bien
piloter dans leurs aventures
effleurant les champs du savoir

Ce qui diminue sûrement
c'est le nombre des jours qui reste
à vivre on ne peut le savoir
que lorsqu'on arrive au dernier
alors les autres se souviennent
font des calculs et aperçoivent
le moment fatal approcher
dans l'ombre des rétrospectives

Contre la mauvaise fortune
faisant bon coeur on se persuade
que ce que l'on perd d'un côté
en endurance et gaillardise
on peut le regagner ailleurs
on découvre les avantages
de la lenteur pour infiltrer
les fissures des lendemains

Isolde Schaad

quelle: de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Isolde_Schaad_2007.jpg&filetimestamp=20091009174235

Ein Textausschnitt aus Ihrem Roman „Robinson und Julia“ von Isolde Schaad:

Als ich an jenem Tag, bevor die Krankheit ausbrach, in der Frühe am Fenster stand, wünschte ich mir, dass alles noch einmal von vorn anfinge. Und meine Augen verfolgen würden, wie sich die Alpen lautlos verfalten. Atemberaubend wäre die Erschaffung der Welt ohne Tonkulisse. Aber

Gott ist ein Mann. Das heißt, er muss kompensieren, und so ist er mit all seinen Namen mehrere Männer aufs Mal, die sich um den richtigen Glauben streiten. Zwar ist der Donner, den er deswegen verursacht, noch das geringste Übel, das er uns eingebrockt hat. Später wird er die Kanone einführen und dann das Turbogeheul von Porsche, Alfa und Maserati, das sei unverzichtbar für das Männergeschlecht; allerhand, wenn man bedenkt, dass die Natur Milliarden von Jahren ohne Kanonen, Alfas und Porsches auskam. Und soll noch eine kommen, eine feministische Theologin oder so, und behaupten, Gott sei kein Mann.

Wer in der Frühe an der Fassade unserer Mietskaserne emporblickt, entdeckt eine Frau im Fenster, die sich eine Haarsträhne aus der Stirn streicht. Wie gesponnenes Gold. Später, in der Abendsonne, wird es dann sein, als winke diese

lichtdurchflutete Person aus einem Gemälde. Das bin ich, Verzeihung, das möchte ich sein.

Rainer Wieczorek

quelle: de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Pressefoto_Wieczorek_Dittrich.jpg&filetimestamp=20100803124410

Als Kostprobe von Rainer Wieczorek gibt es einen Auszug aus seiner Tuba-Novelle.

Ausschnitt aus "Tuba-Novelle"

Vielleicht sollte er den weißen Seiten einige Fußnoten hinzufügen, dachte er am folgenden Morgen, ein Nachwort vielleicht: So viel Zeit gab es noch, so viel Zeit musste noch übrig sein. Ein Nachwort über das Schöpferische und das Störende, ein Nachwort, das skizzenhaft, vielleicht auch nur schemenhaft über Beckett in Ussy hinausging, das also geeignet war, ihm wie Anderen den Weg zu weisen für eine umfassendere, grundlegendere Kulturkritik, als er sie unter diesen Bedingungen zu formulieren verstand.

Die Arbeit an der Hindemith-Sonate wurde an diesem Morgen nicht fortgesetzt, stattdessen gab es eine Mixtur aus Binde- und Staccato-, Triller- und Sforzato-Übungen, und er bemerkte mit Befriedigung, dass er beim Sforzato nicht mehr zusammenzuckte, bei keinem Sforzato.
Nach einer Pause gab es ausgehaltene Töne.
Im Institut würde all dies nicht mehr zu hören sein, und die Frage war angebracht, ob er überhaupt noch in der Lage sein werde, sich ohne Tuba auf ein institutionelles Tagwerk ausrichten zu können, denn, das bemerkte er staunend, es häuften sich die Momente, in denen er es geradezu genoss, wenn die Tonkaskaden der Tuba in die ganz tiefe Lage rauschten, und die Tuba das tat, wozu sie geschaffen worden war.
Vielleicht hatte er am Anfang seiner Beckett-Studie den Fehler gemacht, zu abwehrend auf die Tuba-Übungen im Spanischen Haus zu reagieren. Es hätte die Möglichkeit gegeben, in der Störung die Musik auszumachen, in der Mühe, die man sich im Spanischen Haus gab, die eigene Mühe gespiegelt zu sehen, mit der Tuba zu schreiben statt gegen sie zu schweigen. Aber hätte er dann dieses Ergebnis erzielt ?

Fabio Stassi

quelle: it.wikipedia.org/wiki/File:Fabio_Stassi.jpg

Dank Fabio Stassi wird das Sprachsalzblog 2010 multilingual, da er uns eine Kostprobe aus dem italienischen Original seines Romans La rivincita di Capablanca (deutsch: Die letzte Partie) zukommen lässt.

Ausschnitt aus dem Roman "La rivincita di Capablanca"

A osservare tutta la vita una scacchiera, con ogni pezzo fermo a presidio della sua zona, Capablanca aveva ora iniziato a chiedersi quali relazioni intercorressero tra i pedoni di una stessa compagine. Tra quelli campochiaro e quelli camposcuro gli era più facile comprenderlo. Fronti che si opponevano secondo schemi che aveva osservato migliaia di volte. Ma all'interno di uno stesso colore, da un solo lato del tavolo, cosa univa un pedone a un altro? che legame correva tra un cavallo e un alfiere, tra le due torri, tra la donna e il re…? ogni metà scacchiera disegnava la trama di tutte le linee di forza che agiscono all'interno di una famiglia o di un esercito. Bisognava imparare a leggerle. Con le loro regole formali, il ventaglio delle varianti, i raggi d'azione e, alla fine, l'arrivo sempre puntuale di un errore. L'aprirsi di una crepa. Una frattura che nessun re sarebbe stato capace di prevedere, e annullare.
In Olanda era rimasto spesso con la mano sospesa per aria, incerto sulla mossa. In realtà quello che gli era venuto a mancare non era più la sicurezza che l'aveva reso così famoso in tutto il mondo. La verità era che non si fidava più dei suoi alfieri, aveva paura che i cavalli o le torri stessero congiurando contro di lui. Era una sensazione sconosciuta. Come se di colpo la sua stessa mano gli fosse divenuta estranea, e nemica.
A studiare e ristudiare le sconfitte di Morphy e degli altri grandi maestri gli sfuggiva sempre il punto di cedimento. Cosa lo aveva determinato era chiaro per l'intelligenza. Una catena di conseguenze. Ma da queste analisi mancava sempre qualcosa. Gli restava il sospetto di una malattia che si manifesta quando non c'è più tempo di rimediare. Un avvelenamento dell'organismo. L'insidia non veniva da fuori, ne era certo. Tutte le partite che aveva perso, era stato per un crollo interno e non per l'incalzare dell'offensiva avversaria. Perché si era rotto un equilibrio tra i suoi sedici pezzi e nessuno era stato capace di ristabilirlo. Per un atto di insubordinazione o di tradimento.
Forse stava impazzendo. Come quell'altro russo che aveva incontrato una volta, a Berlino, prima che la follia oscurasse il suo talento, ma senza riuscirci a giocare. Luzin, si chiamava. O come Morphy. Forse l'abitudine di visualizzare mentalmente la possibilità di un pericolo aveva corrotto anche a lui il coraggio e la ragione. Ma cosa generava la dinamica degli accadimenti? Quanti sacrifici si compivano in ogni colonna, in ogni fila, in ogni traversa? Quali alleanze, quali invidie si consumavano? Nelle posizioni di stallo chi era ostaggio di chi?
Era un gioco di mediazioni, quello, un gioco per acrobati e diplomatici com'era stato lui, una volta.
La notte prima dell'incontro di Rio Preto, nonostante Olga gli dormisse accanto, la solitudine gli ronzava nelle orecchie come una marea, il rombo ostinato e prigioniero di una conchiglia. Lo stesso rumore che doveva avvertire anche Aljechin a Parigi o dovunque fosse. Non riusciva a dormire, ma non soltanto per il vino bevuto. Gli era tornata in mente una domanda che si erano fatti una sera, per celia, a Pietroburgo. Cosa sogna un pedone, gli aveva chiesto il russo, e allora era parsa a entrambi una questione divertente. Adesso, a tanti anni di distanza, la faccenda gli suonava più misteriosa, e ostile. E per poco, in questa camera arredata con umiltà, ebbe l'impressione di avere capito. Cambiare natura. Raggiungere l'ottava traversa. Non rassegnarsi all'infelicità del proprio stato. La chiave di tutto era nell'ansia di una metamorfosi, nel sogno dei pedoni di diventare regine.

Katharina Lanfranconi

(c) Katharina Lanfranconi

Fünf Gedichte von Katharina Lanfranconi:

fliegerkappe

zur zeit bin ich
ein wenig leer

ein niemand
sozusagen

wogt eitel luft
nur um mich her

in blauen,
dünnen lagen

kämst du geflogen
als pilot

durch dieses
nebelmeer

ich setzte meine
kappe auf

und wär gleich
wieder wer


herbstspaziergang

wir schreiten
durch das
schwarze tor
der tannen

durch deren
unterholz die
weisse sonne
fäden flicht

im schatten
kreis steht
eine gruppe
fahler pilze

wie eine
totenstadt
im feuchten
dämmerlicht


mein regenschirm

mein regenschirm
war mir so nah

er stand wie ich
im regen

kein nieseln
das ihn traurig sah

selbst sturm
kam ihm gelegen

ich fürchte
dieser treue freund

wird fürderhin
mich hassen

ich hab ihn jüngst
bei sonnenschein

im café stehen
lassen


ich schrieb etwas

ich schrieb
etwas kleines

das schlief
mit mir ein

so wuchs es
verborgen

und schien
mir am morgen

ein wenig
gewachsen

zu sein


nicht mit dir

nicht mit dir
und nicht
ohne dich

nicht dich
mich nicht
und wie

ohne uns

...

(hier werden Sie die Audio-Mitschnitte der Lesungen von Sprachsalz 2010 finden)

Sprachsalz Trailer 2010

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