Rainer Wieczorek
Als Kostprobe von Rainer Wieczorek gibt es einen Auszug aus seiner Tuba-Novelle.
Ausschnitt aus "Tuba-Novelle"
Vielleicht sollte er den weißen Seiten einige Fußnoten hinzufügen, dachte er am folgenden Morgen, ein Nachwort vielleicht: So viel Zeit gab es noch, so viel Zeit musste noch übrig sein. Ein Nachwort über das Schöpferische und das Störende, ein Nachwort, das skizzenhaft, vielleicht auch nur schemenhaft über Beckett in Ussy hinausging, das also geeignet war, ihm wie Anderen den Weg zu weisen für eine umfassendere, grundlegendere Kulturkritik, als er sie unter diesen Bedingungen zu formulieren verstand.
Die Arbeit an der Hindemith-Sonate wurde an diesem Morgen nicht fortgesetzt, stattdessen gab es eine Mixtur aus Binde- und Staccato-, Triller- und Sforzato-Übungen, und er bemerkte mit Befriedigung, dass er beim Sforzato nicht mehr zusammenzuckte, bei keinem Sforzato.
Nach einer Pause gab es ausgehaltene Töne.
Im Institut würde all dies nicht mehr zu hören sein, und die Frage war angebracht, ob er überhaupt noch in der Lage sein werde, sich ohne Tuba auf ein institutionelles Tagwerk ausrichten zu können, denn, das bemerkte er staunend, es häuften sich die Momente, in denen er es geradezu genoss, wenn die Tonkaskaden der Tuba in die ganz tiefe Lage rauschten, und die Tuba das tat, wozu sie geschaffen worden war.
Vielleicht hatte er am Anfang seiner Beckett-Studie den Fehler gemacht, zu abwehrend auf die Tuba-Übungen im Spanischen Haus zu reagieren. Es hätte die Möglichkeit gegeben, in der Störung die Musik auszumachen, in der Mühe, die man sich im Spanischen Haus gab, die eigene Mühe gespiegelt zu sehen, mit der Tuba zu schreiben statt gegen sie zu schweigen. Aber hätte er dann dieses Ergebnis erzielt ?
von assotsiationsklimbim am Dienstag, 24. August 2010, 11:59 unter archiv10